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Warnungen aus der Wissenschaft Schwere Elektroautos erhöhen das Unfallrisiko

Der SUV-Boom setzt sich bei Elektroautos fort – eine besonders gefährliche Kombination, warnen Forscher. Auch die oberste US-Straßenbehörde schlägt jetzt Alarm.
Straßenverkehr in Berlin: Einige Elektro-SUV wiegen 3,5 Tonnen

Straßenverkehr in Berlin: Einige Elektro-SUV wiegen 3,5 Tonnen

Foto: Florian Gaertner / Photothek / Getty Images

Mit diesem Ansturm hatte wahrscheinlich niemand gerechnet: Als Ford im Mai eine Elektroversion seines Bestseller-Pick-ups, den F-150 Lightning, vorstellte, schnellte die Zahl der Bestellungen in die Höhe. Ford musste die geplante Produktion verdoppeln.

Bei anderen Autokonzernen scheint sich der langjährige Trend zu schweren SUV auch im E-Sektor fortzusetzen. Allein von den Modellen ID.4 und ID.5, die Volkswagen als »sportliche SUV Performance« bewirbt, sind im vergangenen Jahr in Deutschland fast 25.000 Exemplare neu zugelassen worden , ein Plus um 95 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Gewichtsunterschiede bei Autos erhöhen das Risiko

Forscher sehen die Entwicklung mit Sorge. Schwere Elektroautos erhöhten die Gefahr tödlicher Unfälle und seien schlechter für die Umwelt, schreiben Wissenschaftler um Blake Shaffer, Professor für Ökonomie an der University of Calgary in Kanada, in einem Meinungsbeitrag für das Fachblatt »Nature« .

E-Autos sind meist schwerer als baugleiche Verbrenner, das macht sie in Summe potenziell gefährlicher. Um ein besonders massiges Auto zu bewegen, und dann noch mit einer besonders hohen Reichweite, ist eine umso schwerere Batterie nötig, die selbst einen hohen Anteil am Gesamtgewicht hat.

»Ich mache mir Sorgen über das größere Risiko für schwere Verletzungen und Todesfälle, das von Autos mit immer größeren Leergewichten und größerer Leistung ausgeht, inklusive Elektroautos«, sagte auch die Sprecherin des Nationalen Verkehrssicherheitsausschusses der USA, Jennifer Homendy, Mitte der Woche. Ein elektrischer GMC Hummer wiege 4000 Kilogramm, allein die Batterie bringe 1300 Kilogramm auf die Waage, was fast dem Gewicht eines Honda Civic entspreche.

Sie unterstütze den Ausbau der Elektromobilität, so Homendy. »Wir müssen aber aufpassen, dass wir keine unbeabsichtigten Konsequenzen hervorrufen: mehr Tote auf den Straßen.« Die Sicherheit dürfe nicht ausgeblendet werden.

Der Trend zu schweren Autos zeigt sich auch in Deutschland. Ein Mercedes-Benz EQS SUV wiegt fast 3,5 Tonnen  und darf gerade noch mit einem normalen Führerschein gefahren werden. Der elektrische F-150 von Ford wiegt gut 700 Kilogramm mehr als sein Vorgänger mit Verbrennungsmotor, schreiben Shaffer und seine Kollegen.

Dabei könnten gerade enorme Gewichtsunterschiede zu schweren Unfällen führen: Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand bei einem Unfall stirbt, steigt laut einer Studie  um jeweils 12 Prozent, wenn das eine Auto 500 Kilogramm schwerer ist als das andere.

Gerade in einer Zeit, in der neben den schweren Elektro-SUV auch leichte, oft ältere Kleinwagen unterwegs sind, kann das gefährlich werden. Laut einer Studie  aus den USA könnten gut tausend Fußgänger, die bei Autounfällen getötet wurden, noch leben, wenn sich in den vergangenen 20 Jahren kleinere, leichtere Autos durchgesetzt hätten.

Wie können Autos leichter werden?

Die Einsparungen beim Klimaschutz könnten durch die bei Unfällen verursachten Schäden an Leib und Leben aufgefressen werden, warnen die Ökonomen. Doch wie ließe sich das ändern? Sie haben mehrere Ideen:

  • Schwere Autos müssen stärker besteuert werden, um Kaufanreize für leichtere zu schaffen.

  • Batterien müssten leichter werden. Statt schweres Grafit zu verbauen, könnten Hersteller etwa verstärkt auf Silizium setzen. Digitale Verbindungen könnten zudem Kabel überflüssig machen.

  • Auch bei der Karosserie lasse sich Gewicht einsparen, wenn mehr Aluminium und Magnesium zum Einsatz kommt statt Stahl.

Wichtig sei laut den Ökonomen auch, die Straßen sicherer zu machen. Auch in Deutschland träumen Forschende von einer Unfallbilanz mit null Verkehrstoten. (Mehr dazu lesen Sie hier .) »Wenn wir leichter, sicherer, sauberer und weniger fahren«, argumentieren Shaffer und seine Kollegen, »können wir eine bessere Zukunft für alle sichern.«

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Textes war von Silikon statt Silizium die Rede, wir haben den Fehler korrigiert.

koe/AP