In Großbritannien hat der größte Bahnstreik seit 30 Jahren begonnen. Mehr als 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Eisenbahn streiken für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Auch am Donnerstag und Samstag plant die Eisenbahnergewerkschaft RMT Streiks; an diesem ersten Tag legen auch die Mitarbeiter der Londoner U-Bahn ihre Arbeit nieder.

Beobachter gehen davon aus, dass rund die Hälfte des britischen Schienennetzes lahmgelegt sein dürfte. Nach Angaben der Nachrichtenagentur PA fuhr an diesem Morgen nur rund ein Fünftel der Züge.

Hintergrund des Arbeitskampfes sind gescheiterte Verhandlungen über Gehaltserhöhungen. Die Gewerkschaft RMT hatte nach eigenen Angaben eine Erhöhung von 7,1 Prozent gefordert. Sie begründet dies mit der hohen Inflationsrate, die in Großbritannien derzeit beim neun Prozent liegt.

"Notwendige Reformen in Ruhe diskutieren"

Premierminister Boris Johnson kritisierte die Streikenden. Laut einer Mitteilung seines Büros sagte er während einer Kabinettssitzung, die Streikenden vertrieben damit Pendler, "die letztlich die Jobs der Eisenbahner sichern". Die Folgen der Ausfälle würden Unternehmer und Gemeinden im ganzen Land zu spüren bekommen. Zu hohe Lohnansprüche würden das Problem der Lebenshaltungskosten eher noch verschärfen. 

Kritik kam auch von Verkehrsminister Grant Shapps: Die Gewerkschaft bestrafe "Millionen unschuldiger Menschen, anstatt die notwendigen Reformen ruhig zu diskutieren", sagte er. Shapps kündigte eine Gesetzesänderung an, die Bahnbetreiberinnen dazu verpflichtet, auch an Streiktagen eine minimale Versorgung sicherzustellen. Auch soll die Vertretung streikenden Personals durch die Einsatzkräfte erlaubt sein. "Wir werden dafür sorgen, dass solche Dinge in Zukunft weniger Schaden anrichten", sagte er.

Gewerkschaften erinnern an Winter der Unzufriedenheit 1978/79

Nach Vorstellung der Gewerkschaften soll der Streik aber nur ein Anfang sein. Sie sehen ihn als Auftakt für einen "Sommer der Unzufriedenheit", in dem auch Lehrer, Medizinerinnen und sogar Anwälte in den Arbeitskampf treten würden. Damit spielten sie auf den sogenannten Winter der Unzufriedenheit 1978/79 an, als es ebenfalls eine Serie von Streiks gegeben hatte.

Die britische Wirtschaft hatte sich zunächst gut von der Corona-Pandemie erholt. Wegen einer Kombination aus Arbeitskräftemangel, unterbrochenen Lieferketten, Inflation und Handelsstreitigkeiten infolge des Brexits droht jedoch eine Rezession. Die Inflationsrate ist auf dem höchsten Stand seit 40 Jahren, die Marke von zehn Prozent dürfte im Jahresverlauf überschritten werden. Viele Briten leiden unter den steigenden Preisen für Lebensmittel und Kraftstoff.